Elega 35

In einer Yahoo! Auktion (Japan) war ich auf eine alte, Leica-ähnliche Kamera mit dem Namen Elega 35 gestoßen. Was mich neugierig machte, war der Startpreis von nur 1 Yen, dann aber ein Sofortkaufen-Preis von stolzen 35.000 Yen (etwa 300 Euro) für eine Kamera die auf den ersten Blick nicht mehr unbedingt in einem Liebhaberzustand war. 

Am ehesten wird vielleicht eine Christies Auktion in der Rubrik Feine und Seltene Kameras, bei der eine Elega 35 versteigert wurde, die These stützen, dass es sich bei dieser Kamera wirklich um eine für das Sammeln begehrte Rarität handelt. Bei der Versteigerung des Lots mit der Nummer 137 bei der Live-Auktion 6314 erzielte am 25. November 1993 eine Elega 35 mit der Seriennummer 13.684 einen Verkaufspreis von 825 GBP, etwa doppelt soviel wie der von Christies geschätzte Wert von 400 bis 600 GBP (!). Wenn man den Schätzern von Christies zutraut, den Schätzwert gewissenhaft bestimmt zu haben, und das anschließende Bietergefecht lassen dann wohl doch darauf schließen, dass es sich bei einer Elega 35 also durchaus um eine für Sammler interessante Kamera handelt.

Auch die folgende Anekdote kann durchaus wie ein Ritterschlag für diese kleine Kamera verstanden werden. Eine gebrauchte Elega 35 wurde im November 2021 im Leica Online Shop der Leica Classics Camera GmbH für 1.200 Euro zum Verkauf angeboten.

Laut miyou55mane war eine Kamera mit dem Namen LOOK der Vorgänger der Elega 35. Die LOOK wurde angeblich von Kunju Chatani (茶谷薫重), bekannt als Entwickler des Copal Square Verschlusses, entwickelt. Bei der Look ist das Objektiv abschraubbar, und der Verschluss im Innern des Gehäuses verbaut. 

Hergestellt wurde die LOOK von Nitto Seiko in Kyoto. In der Firmengeschichte auf der Webseite von Nitto Seiko ist die LOOK mit einem Foto abgebildet, und es steht geschrieben dass die Produktion von Kamerateilen im Juli 1947 begann, zwei Jahre vor dem Verkaufsstart der LOOK im Jahre 1949. 

Von der LOOK wurden ca. 1.100 Stück hergestellt. Bestätigte Seriennummern sind #1.034 (das Modell aus einer Werbeanzeige für die LOOK), #1.077 bis #1.883, und nach einer weiten Pause #11.965 bis #12.084. Der Seriennummer wird, wie damals in der Kamerabranche üblich, eine 1 vorangestellt. #1.077 bis #1.883 sind also in Wirklichkeit die 77. bis 883. Kamera. Es wird angenommen, dass #11.965 und #12.084 tatsächlich 965 und 1.084 sind. Es ist nicht bekannt, warum der Zahl 900 eine "11" anstelle von einer "1" vorangestellt wurde.

Als Objektiv wurde zunächst ein Rokkor 45mm 1:3.5 verwendet. Es wird vermutet, dass von Rokkor bei der Inspektion ausgemusterte 50mm 1:2.8 übernommen und als 1:3.5 wiederverwendet wurden. Bestätigte Seriennummern dieses Objektives sind #1.117 bis #1.388.

Später wurde auf das Objektiv Lunar 45mm 1:3.5 umgestellt. Hiervon bestätigte Seriennummern sind #1.076 (erstes) und #1.437 bis #1.703. Bei Objektiven mit den bestätigten Seriennummern #11.995 bis #12.119  wurde wie bei der Kamera selbst der Hunderterzahl eine 11 vorangestellt, so dass es sich eigentlich um die Nummern 995 bis 1.119 handelt.

Es wird geschätzt, dass von der Rokkor etwa 400 Objektive und von der Lunar etwa 700 Objektive, in der Summe etwa 1.100 Stück hergestellt und verbaut wurden, was der Anzahl der Kameras entspricht.

1.100 Stück sind eine sehr überschaubare Anzahl von Kameras. Es gibt Informationen, dass eine Massenproduktion aufgrund von Herstellungsproblemen (häufige Ausfälle des Entfernungsmessers etc.) nicht durchgeführt werden konnte und die Produktion nach den etwa 1.100 Einheiten eingestellt wurde.

1951 wagte es Nitto Seiko zum zweiten Mal, unter Verwendung überschüssiger Kamerateile aus anderweitiger Produktion eine eigene Kamera zu entwickeln. Da man von Anfang an auf einen integrierten, der LOOK zum Verhängnis gewordenen Entfernungsmesser verzichtete, konnte eine schlichtere Kamera entworfen werden. Inspiration fanden die Designer bei der fast 20 Jahre älteren Leica Standard von 1932, der sie die Elega 35 optisch nachbildeten. Technisch wurden jedoch einige Details von der LOOK übernommen. So wie schon bei der LOOK war auch bei der Elega 35 das Objektiv abschraubbar, was Wechselobjektive möglich machte. Obwohl  es nicht zu einer ausgeweiteten Produktion mit mehreren Objektiven gekommen war, so ist dieses doch ein Detail welches vielleicht auf größere Pläne des Herstellers hindeuten könnte. Der Doppelmagazintyp der LOOK wurde nicht übernommen, und anstelle dessen ein Rückspultyp verwendet.

Vertrieben wurde die Kamera ab 1952 von Nittō Shashin Yōhin K.K. (日東写真用品㈱) was sich mit Nitto Fotozubehör AG übersetzen läßt, einem der großen Kamerhändler der 1950er Jahre. 

Ursprünglich wurde die Elega 35 mit Kameratasche für 11,000 Yen angeboten, im Jahr 1953 für 12,000 Yen, und im Jahr 1954 für 9,800 Yen wie erhaltene Anzeigen auf der Webseite von miyou55mane und Shashin-bako belegen.

Auf der Webseite der brasilianischen Sociedad Ibero-Americana de la Historia de la Fotografia Museo Fotográfico y Archivo Historico "Adolfo Alexander" (Webseite Novacon) wird berichtet, dass es zwei verschiedene Modelle der Elega 35 gegeben hat. Beim früheren Modell wird der Film von Filmkartusche zu Filmkartusche transportiert, womit kein Rückspülen erforderlich ist. Lediglich eine Filmspannfunktion ist vorhanden. Das zweite Modell hingegen hat Rückspulfähigkeiten, wofür es einen eigenen Rückspulknopf auf der Unterseite gibt.

Auf der gleichen Webseite wird die Unterseite einer Kamera ohne Kupplungsknopf dafür aber mit zwei Stativschrauben gezeigt. Da auf der Webseite aber Bilder verschiedener Elegas abgebildet sind, ist nicht eindeutig klar, zu welcher Kamera diese Unterseite gehört, und somit auch keine Modellnummer bekannt. Bei allen von mir im Internet gefundenen, mit Seriennummer eindeutig zuordnungsbaren Elega 35 Fotos gab es jedoch keine Kamera mit einer derartigen Unterseite, so dass eine Fehlinformation nicht ausgeschlossen werden kann.

Desweiteren zum Verschluss wird berichtet, dass dieser in-house hergestellt wurde und von N.K.S. Nitto Kogaku Seiko stammt. 

Nur drei Jahre in einer überschaubaren Stückzahl gefertigt, könnte das die Antwort sein, warum derart hohe Sammlerpreise erzielt werden?

Die früheste als auch die höchste bestätigte Seriennummer von Kamera und Objektiv sind wieder auf der Webseite von miyou55mane zu finden. Bei einer eintägigen Internetsuche fand ich zwar Fotos oder anderweitige Angaben von bis zu 34 Elega 35 Kameras, aber keine mit noch älterer oder höherer Seriennummer. Die von miyou55mane ermittelten 4.300 bis 4.600 Einheiten erscheinen also durchaus realistisch und wären eine recht überschaubare Anzahl an Kameras, die den hohen Sammlerpreis erklären könnte.

(Anmerkung: Die auf Collectiblend.com geführten Preise für die LOOK liegen noch über denen der Elega 35.)

• Sugiyama, Kōichi (杉山浩一); Naoi, Hiroaki (直井浩明); Bullock, John R. The Collector's Guide to Japanese Cameras. 国産カメラ図鑑 (Kokusan kamera zukan). Tokyo: Asahi Sonorama, 1985. ISBN 4-257-03187-5. Objekte 3239-40.
• Auf Seite 82 von The History of the Japanese Camera schreiben die Autoren: "[In 1953] Two Toyo cameras were introduced, the Larkflex and the upgraded Elegaflex," suggesting that Toyo was the producer of the Elegaflex.